Ökoprodukte kommen aus aller Welt in die Region

 
 

05.09.2007 General-Anzeiger Bonn

Bio-Ware nicht nur von heimischen Anbietern - Importe in Fachkreisen umstritten - Meckenheimer Obstbauer sieht "Zwei-Klassen-Gesellschaft"
Berlin/Bonn. (dpa/hmn) Sonnenblumenkerne aus Russland oder Bio-Äpfel aus China: Die enorme Nachfrage nach Ökoprodukten kann längst nicht mehr nur von heimischen Anbietern bedient werden.

Das sagt auch Michael Stammnitz, Geschäftsführer von Naturkost "Vier Jahreszeiten" in Sankt Augustin. "Die Bio-Produktion ist in Deutschland viel kleiner als in anderen EU-Ländern", so Stammnitz. Die Nachfrage werde dagegen immer größer. Obwohl er selbst nur außerhalb der Saison Waren importiert, kann er sich gut vorstellen, dass Großhändler wie Aldi, Lidl & Co vom heimischen Markt nicht mehr bedient werden können.

Das wachsende Angebot bei Discountern und herkömmlichen Lebensmittelhändlern lässt die Frage aufkommen, ob wirklich noch Bio drin ist, wo Bio draufsteht. Da vollziehe sich ein elementarer Wandel, beobachtet die Stiftung Ökologie und Landbau in Bad Dürkheim. Der früher einheitliche Bio-Markt segmentiere sich immer mehr.

Zwei Klassen auf dem Bio-Markt sieht auch Obstbauer Lothar Krämer aus Meckenheim. "Wir haben zum einen die Verbandszeichen mit deutlich strikteren Produktionsbedingungen, zum anderen das EU-Bio, das sich wegen schwächerer Regeln deutlich billiger produzieren lässt", so der Demeter-Partner.

Bioware vom Discounter muss laut Öko-Stiftung allerdings keineswegs schlechter sein als die von kleineren Bio-Läden. "Es stellt sich aber schon die Frage, wo angesichts der steigenden Nachfrage die enormen Mengen herkommen", betont Stiftungs-Geschäftsführer Uli Zerger. Denn Bio-Bauern könnten nicht so einfach mehr produzieren, erklärt Krämer.

Oft liege das an nicht ausreichend vorhandenem Boden, aber auch an strikten Verbandsauflagen für Feld- und Fruchtwechsel oder logistischen Problemen. Es dauere etwa 3 Jahre, einen Hof von konventionell auf Bio umzurüsten.

Die Biowaren von Aldi & Co. tragen zwar überwiegend das EU-Biosiegel, die deutlich strengeren Siegel von Anbauverbänden wie Naturland oder Demeter findet man dort aber kaum. Die Öko-Anbauverbände verlangen anders als bei den EU-Siegeln, dass Betriebe komplett auf ökologische Kreislaufwirtschaft umgestellt haben. Für Großbetriebe, die die Discounter beliefern, eine hohe Hürde.

Mittlerweile mischen aber fast alle großen Billigketten bei Bio mit. Der zur Tengelmann-Gruppe zählende Discounter Plus hat schon seit fünf Jahren eine eigene Bio-Marke und ist "grundsätzlich immer" auf der Suche nach neuen Produkten. Derzeit stehen 140 "BioBio"-Artikel von in- und ausländischen Anbietern in den Regalen. "Wir führen ständig strenge Qualitätskontrollen durch", heißt es aus der Zentrale in Mülheim.

Einer jüngsten Studie des Verbrauchermagazins "Öko-Test" zufolge schneidet die Bioware in Supermärkten und Discountern aber erstaunlich gut ab. Von den in den Testlabors untersuchten 75 Lebensmitteln waren fast alle ohne Fehl und Tadel hinsichtlich Qualität und chemischer Rückstände.

Allein 2006 stieg der Umsatz von Ökoprodukten laut Bauernverband um 18 Prozent auf rund 4,6 Milliarden Euro. Zeitgleich wuchs in Deutschland die ökologisch bewirtschaftete Fläche aber nur um 2,3 Prozent auf 825 000 Hektar, die Zahl der Bio-Importeure nahm hingegen um 17 Prozent zu. Mittlerweile tragen rund 40 000 Produkte das Bio-Siegel. Über den Transportweg sagt diese Plakette aber nichts aus. Allein ein Bio-Apfel aus Argentinien legt mindestens 11 000 Kilometer zurück, um in deutsche Regale zu gelangen.

Dabei hätte der Bio-Apfel laut Lothar Krämer vergangenes Jahr nicht 11 000 Kilometer weit eingeflogen werden müssen. "Es hieß von Seiten der Discounter, dass es auf dem heimischen Markt nicht genug Bio-Äpfel gibt", so der Obstbauer. "Aber die hatten wir. Nur eben nicht zu dem superniedrigen Preis, den sich die Discounter vorgestellt haben."

 

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