Der Boden lebt!
 
 

von Leo Frühschütz (Schrot und Korn Ausgabe 1/2005)

Jedes Jahr wachsen auf einer nur wenige Zentimeter dicken Bodenschicht Millionen Tonnen Getreide, Obst und Gemüse. Doch wie lange noch? Unsere Böden werden zunehmend unfruchtbar, vom Wind verweht und fortgeschwemmt. Ein Grund dafür ist die industrialisierte Landwirtschaft.

Ein Klumpen Erde vom Acker. Auf den ersten Blick nichts Besonderes. Doch wer mit Lupe oder Mikroskop hinsieht, entdeckt ein riesiges Ökosystem mit Millionen von Lebewesen: Regenwürmer, Springschwänze, Milben, Asseln und jede Menge Mikroorganismen. Alle arbeiten an einem „gemeinsamen Projekt“: Sie zersetzen abgefallene Blätter, Rinde, Kuhfladen – im Prinzip die gesamte tote organische Masse an der Bodenoberfläche und machen so die Erde fruchtbar. Außerdem lockern sie den Boden auf, fixieren Nährstoffe und machen sie für die Pflanzen verfügbar.

Dies alles funktioniert jedoch nur, solange das Bodenleben intakt ist. Stören wir dieses komplizierte Geflecht, dann verarmt der Boden: Die Lebewesen werden weniger, der Gehalt an Humus, also an toter organischer Masse, nimmt ab. Der Boden wird zunehmend unfruchtbar.

Auf konventionell bewirtschafteten Flächen wird das Bodensystem erhelblich gestört. Zudem gehen im Durchschnitt jedes Jahr acht bis zehn Tonnen Boden je Hektar als Folge der industrialisierten Wirtschaftsweise verloren. Das macht etwa einen halben Millimeter Boden aus, ist also praktisch nicht sichtbar. Doch über Jahrzehnte hinweg sind die Folgen dramatisch. Denn neu gebildet, durch Verwitterung und Bodenlebewesen, wird nur ein Fünftel des verlorenen Bodens.

Die konventionelle Landwirtschaft ignoriert diese Tatsache weitgehend – und setzt weiterhin auf Kunstdünger. Der enthält Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium in einer Form, die die Pflanzen schnell aufnehmen können. Das hat allerdings Folgen.

Die Pflanzen sind nicht mehr auf die Nährstoffe im Humus angewiesen. Der Boden hat nur noch die Aufgabe, den Wurzeln Halt zu bieten. Besonders deutlich wird dies, wenn in Treibhäusern Tomaten oder Gurken auf Steinwolle angebaut und mit einer Nährlösung versorgt werden.

Bio-Bauern lehnen synthetischen Dünger und erdelosen Anbau ab. Sie sind davon überzeugt, dass leicht lösliche Nährstoffe die Pflanzen schwächen. Ähnlich wie vollwertig ernährte Menschen gegenüber Infekten widerstandsfähiger sind, sind Bio-Pflanzen gegenüber Schädlingen weniger empfindlich (siehe Grafik).

Bio-Bauern wissen deshalb auch, wie wichtig das Bodenleben ihrer Felder ist.

Für sie sind Regenwurm & Co. Partner, die es zu pflegen gilt. Deshalb erhalten sie Nahrung in Form organischer Dünger wie Kompost oder Mist. Dass sich die Partnerschaft auszahlt, zeigte ein Langzeitversuch, den Schweizer Wissenschaftler durchführten.

Vor 26 Jahren legten sie vier Felder an. Zwei wurden seither ökologisch bewirtschaftet, zwei konventionell, davon eines ausschließlich mit Kunstdünger. Auf allen Feldern bauten die Forscher die gleichen Sorten an, auch die Bodenbearbeitung war identisch.

Die Bilanz zeigte, dass die Erträge im ökologischen Anbau zwar um 20 Prozent geringer waren, gleichzeitig sank jedoch der Bedarf an Energie und Dünger um 34 bis 53 Prozent. Das bedeutet: Eine bestimmte Menge Getreide oder Gemüse lässt sich auf dem Öko-Acker, im Vergleich mit einem konventionellen Feld, mit deutlich weniger Aufwand an Energie und Nährstoffen erzeugen.

 

 

zurück