Bauernstimme Jan 06

Gentechnik

US-Farmer und ihre Erfahrungen mit der Gentechnik


 
 



Bei ihrer Rundreise durch Deutschland machten die Farmer Mut, die Rechte der Bauern zu verteidigen

"Ihr braucht vor allem eine Gesetzgebung, die Eure Rechte als Bauern schützt." Davon sind David Dechant und Troy Roush überzeugt. Die beiden Farmer aus den USA berichteten während einer einwöchigen Tour durch Deutschland über Erfahrungen mit der Agro-Gentechnik in ihrem Land. Nach der AbL-Mitgliederversammlung in Altenkirchen waren sie im Chiemgau, im Donautal, in Reutlingen, in Hohenlohe, im Östlichen Ruhrgebiet und in Ostwestfalen zu Gast. Die Resonanz war beeindruckend: Die Veranstaltungen waren in vielen Regionen überfüllt, Bauern und Bäuerinnen zeigten sich hoch interessiert.

Seit 1996 werden in den USA kommerziell gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, vor allem Soja, Mais, Baumwolle und Raps. Im Jahr 2004 umfasste der gentechnische Anbau in den USA angeblich 85% des Sojaanbaus, 47% des Maisanbaus, 76% des Baumwollanbaus und im Jahr 2003 76% des Rapsanbaus. Die Zahlen stammen von der Gentechnik befürwortenden ISAAA; neutrale Anbauzahlen liegen nicht vor. Wahlfreiheit für VerbraucherInnen gibt es nicht, denn Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) müssen in den USA nicht gekennzeichnet werden.

Verlust von Exportmärkten

Bereits in den ersten Jahren nach dem Anbau von GV-Pflanzen kam es zu erheblichen Exporteinbußen der US-Agrarwirtschaft, insbesondere beim Mais. Sowohl die EU als auch Japan lehnen gentechnisch veränderte Importe ab. "Bt-Mais wird bei uns vor allem in Gebieten, in denen es ernsthafte Ertragsausfälle durch den Maiswurzelbohrer gibt angebaut. Ansonsten sind die Produktionskosten zu hoch", erläutert David Dechant. "Wer Bt-Mais anbaut, wird von Monsanto zu einem aufwändigen Resistenzmanagement verpflichtet." Das bedeutet, 20 Prozent der Mais-Flächen müssen konventionell angebaut werden, um zu vermeiden, dass der Maiswurzelbohrer zu schnell resistent wird. Bei gentechnischer Bt-Baumwolle müssen sogar 50 Prozent der Fläche als Rückzugsgebiet konventionell angebaut werden.

Nachbaurechte ausgehebelt

Die ersten Meldungen, dass Bauern von Monsanto wegen Patentrechtsverletzung verklagt wurden, untermauerten David Dechants Entscheidung, keine gentechnischen Pflanzen anzubauen. 1996 wurde in den USA noch zu annähernd hundert Prozent Nachbau betrieben. Nachbau ist nach dem US-Sortenschutzrecht ausdrücklich erlaubt. Faktisch aber wird er vom Patentrecht ausgehebelt. Seitdem Pflanzen in den USA patentiert werden können, schnellten Patentanmeldungen - auch für konventionelle Sorten - in die Höhe. Bereits im Jahr 2004 war daher praktisch kein Nachbau mehr möglich, ohne Gebühren für ein Patent bezahlen zu müssen.

Monsanto verklagt Bauern

Der Saatgut-Konzern Monsanto hat sich das Patentrecht zu Eigen gemacht und in 90 Fällen Klage gegen 147 Bauern und 39 kleine Firmen und Landhändler eingereicht (siehe bauernstimme 3/2005). Da Monsanto Patente auf bestimmte Genabschnitte "seiner" gentechnisch veränderten Pflanzen besitzt, werden Pflanzen, die mit patentiertem Erbgut verunreinigt werden, zum Eigentum von Monsanto. Selbst wenn betroffene Bauern oder Bäuerinnen kein patentiertes Saatgut gekauft oder wissentlich benutzt haben, können sie für die Verletzung des Patentrechtes belangt werden. So wird der Nachbau systematisch von Monsanto unterlaufen, indem er zu einem hohen Risiko wird.

Ein Klage-Beispiel

Kurzfristig versprechen sich Bauern von der Roundup-Technologie (Anbau von Pflanzen mit gentechnisch eingebrachter Herbizidtoleranz und Anwendung des dazu passenden Herbizids "Roundup Ready") Vorteile, weil sie durch den Einsatz von Glyphosat weniger Spritzgänge (zwei statt vier bis fünf) und dadurch Zeitersparnis haben. Ertragszuwächse gibt es keine.

Troy Roushs Familie entschied sich 1997, erstmals gentechnisches Roundup Ready Soja auszuprobieren. Doch mehr Geld verdienten sie mit nachgebauten konventionellem Soja, weil die Saatgutkosten niedrig gehalten werden konnten. Sie entschieden sich bewusst gegen Monsanto-Saatgut, um keinen Technologie-Vertrag unterschreiben zu müssen. Dieser spricht Monsanto viele Rechte auf Kosten der Landwirte zu, unter anderem Proben auf Feldern zu ziehen oder Einsicht in gespeicherte öffentliche Daten über den Betrieb zu nehmen.

Im Jahr 2000 wurde die Familie Roush von Monsanto dennoch wegen Patentverletzung verklagt. Grundlage dafür waren Anbauverträge mit nachweislich gefälschten Unterschriften von Troy. Auch fehlerhafte Proben konnten Monsanto nachgewiesen werden. Die Verteidigungs- und Anwaltskosten, die Troy Roush tragen musste (343.000 US-Dollar), haben ihn nach zweijährigem Rechtsstreit dazu gebracht, einem Vergleich zuzustimmen. Das Verfahren bis zum Ende zu führen, hätte den finanziellen Ruin der Familie bedeutet. Den einzigen Weg, einer erneuten Klage vorzubeugen, sahen Roushs darin, kein eigenes Saatgut mehr nachzubauen, wegen der Gefahr, dass es kontaminiert ist. Doch seit Einführung der Patentierung stiegen die Kosten von konventionellem Soja Saatgut von 20,44 Euro pro ha im Jahr 1997 auf 58,41 Euro je ha im Jahr 2005. Während sich die Kosten für GV-Saatgut nur um 3,80 Euro auf 64,25 Euro pro ha erhöhten.

Soziales Gefüge zerreißt

In Folge zunehmender GVO-Anbaufläche sinken die Marktpreise für die Ernte, der Rationalisierungsdruck steigt. Höfe werden aufgegeben. Zudem werden Bauern von Monsanto ermutigt, anzurufen, wenn sie den Verdacht haben, dass Nachbarn unerlaubt Saatgut nachbauen. Das soziale Gefüge auf dem Land droht zu zerreißen.

David Dechant und Troy Roush sind sich einig: Die kleinteiligen Strukturen in Europa schließen eine Koexistenz von gentechnischem und gentechnikfreiem Anbau aus. Auf die Frage nach Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft durch Agro-Gentechnik lächelt Troy Roush deshalb ungläubig und antwortet mit einer Gegenfrage: Wie viele Betriebe seiner ZuhöherInnen passen in seinen eigenen Betrieb? Wie viele müssen also aufgeben, wenn sich Europa für gentechnischen Anbau entscheidet? Gewinner der Gentechnologie in den USA sind nicht die Bauern, sondern die multinationalen Gentechnikkonzerne. Das Fazit der US-Bauern lautet: "Setzt Euch für das Recht auf eigenen Saatgutnachbau und für ein vorsorgendes Gentechnikgesetz ein."

Siegrid Herbst

David Dechant bewirtschaftet mit seinem Bruder 1.215 ha Land in Colorado, 40 Meilen nordöstlich von Denver. Sie bauen Luzerne, Mais, Weizen, Sonnenblumen und Braugerste an. 1998 hat David Dechant gentechnisch veränderten Roundup Ready-Mais angebaut, sich jedoch gegen weiteren gentechnischen Anbau entschieden. David Dechant ist Geschäftsführer der Amerikanischen Maisbauern Organisation (American Corn Growers Association) und Mitglied der Rocky Mountains Farmers Union.

Troy Roush ist Farmer aus Indiana, 250 Kilometer südöstlich von Chicaco. Seine Familie bewirtschaftet 2. 230 ha mit Sojabohnen, Weizen, Mais, Popcornmais und Tomaten. Von den 1.100 ha Sojabohnen werden 15 ha ökologisch angebaut, die einzigen weit und breit. Noch befindet sich Troy in der Umstellungsphase, er weiß nicht, ob er die Grenzwerte für organische Sojabohnen einhalten kann. Es ist ein Versuch, sich vom gentechnischen Sojamarkt wieder zu lösen. Troy Roush setzt sich für einen Gesetzentwurf, die "Farmer Bill of Rights" zum Schutz der Bauern vor Klagen der Saatgutkonzerne, ein.

Der Bericht "Monsanto gegen Bauern" hat in den USA nach seinem Erscheinen im Januar 2005 für Aufsehen und Diskussionen gesorgt. Das Zentrum für Nahrungsmittelsicherheit (CFS) untersuchte dafür, in welchem Ausmaß US-amerikanische Bauern unter Rechtsstreitigkeiten litten, die durch die Nutzung patentierter gentechnischer Pflanzen ausgelöst wurden. Der Bericht (ins Deutsche übersetzt) ist bei der AbL gegen eine Gebühr von 2,50 € zuzüglich Versandkosten erhältlich (Tel.: 02381-9053173, E-Mail: gentechnikfreie-landwirtschaft@abl-ev.de).

Die amerikanische Regierung fordert freien Handel für gentechnisch veränderte Nahrung. Doch selbst in den USA engagieren sich die Menschen zunehmend für Bio-Produkte.

Laura Krouse, eine Farmerin aus Mount Vernon im amerikanischen Bundesstaat Iowa, hat für ihren Mais hart gekämpft – eine rare Sorte namens Abbe Hill Seed Corn, die seit fast 100 Jahren auf ihren Feldern angebaut wird. Sie pflanzte den Mais gut geschützt in der Mitte ihrer 30 Hektar großen Farm. Sie pflanzte ihn zu Zeiten an, zu denen sonst niemand in der Gegend Mais anpflanzte. Sie ließ die Qualität jedes Jahr in einem Labor testen. 2001 brachten diese Tests dann zum ersten Mal eine schlechte Nachricht: Das Abbe Hill Seed Corn war verseucht. Es hatte sich mit dem gentechnisch veränderten Mais benachbarter Felder gekreuzt.

Solch künstlich veränderte Gene sind ein rotes Tuch für Krouses beste Kunden. Bio-Farmer liebten die traditionsreichen Maiskörner aus Mount Vernon als Saatgut. Solange sie nicht verseucht waren.

Zehntausende Dollar Verlust durch verseuchten Mais

»Von solchen Fällen höre ich hier in den amerikanischen Midlands alle paar Wochen«, sagt Ken Roseboro, der Chefredakteur des landwirtschaftlichen Branchendienstes The Non GMO Report. »Selbst für einen kleinen Farmer bedeutet das Zehntausende Dollar Verlust«, sagt er. Schon als das landwirtschaftliche Forschungsinstitut OFRF vor ein paar Jahren mehr als tausend Öko-Farmer befragte, berichteten sieben Prozent von Einkommensausfällen wegen nachgewiesener oder vermuteter Durchmischung mit gentechnisch veränderten Organismen (GMO). In einigen GMO-Hochburgen in Iowa, Illinois und dem Bundesstaat New York gaben gar 70 Prozent der Befragten an, Geld verloren zu haben. »Einige Farmer lassen ihren Mais schon gar nicht mehr testen, weil sie Angst haben, dass ein negatives Ergebnis dabei herauskommt«, weiß Roseboro.

Biotech Pollution lautet in landwirtschaftlichen Kreisen das Fachwort für dieses Problem. Es ist zu einem Dauerthema in internationalen Handelsstreitigkeiten geworden. Die Vereinigten Staaten drängen seit Jahren auf weniger Handelsschranken in Sachen GMO. Amerikanische Farmer, die besonders häufig solches Saatgut einsetzen, sollen ihre Produkte frei exportieren können. Lange war die Europäische Union ein Bollwerk gegen dieses Anliegen, obwohl sich ihre Regeln lockern: Nahrungsmittel in der EU dürfen heute bis zu 0,9 Prozent GMO enthalten, und nach neuen Gesetzesvorlagen aus Brüssel soll dies bald sogar für ökologisch angebaute Lebensmittel gelten. Dennoch haben die USA Europa im Jahr 2003 bei der WTO verklagt, und ein Schiedsspruch wird für den Januar erwartet.

In Amerika sind viele Farmer von der »amerikanischen« Linie keineswegs überzeugt. Die größten Kritiker kommen aus der Branche der »organischen Farmer«, die ihre Produkte nach ökologischen Kriterien anbauen. Sie vertreten eine Nische – aber eine, die schnell größer wird: Nach Informationen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums ist dieser Markt seit Jahren »eines der am schnellsten wachsenden Segmente des amerikanischen Landbaus«, auch wenn zuletzt nur 0,2 Prozent allen Farmlandes ökologisch bewirtschaftet wurden. Der Non GMO Report hörte sich im Januar 2005 bei amerikanischen Saatgutherstellern um, die von »enormen Knappheiten«, einer wachsenden Nachfrage und steigenden Preisen für ökologisches Saatgut berichteten. Viele Farmer sehen das als eine Geschäftschance, weil man zum Beispiel für ökologischen Mais dreimal so viel Geld verlangen kann wie für konventionellen. Die Rechnung geht freilich nur auf, wenn der Mais frei von gentechnisch veränderten Organismen bleibt. Die meisten ökologischen Bauern oder die Abnehmer ihrer Produkte lehnen beim kleinsten Anzeichen von Veränderungen dankend ab.

Selbst McDonald’s verzichtet auf gentechnisch veränderte Kartoffeln

Es sind aber längst nicht nur die alternativen Bauern, die sich beklagen. Weil GMO-Produkte aus so vielen Märkten der Welt, allen voran den europäischen, ausgesperrt blieben, sind die US-Exporte von Mais und Soja in den vergangenen Jahren zusammengebrochen. Kaum eine Organisation ist dabei wütender als die American Corn Growers Association, der Verband der amerikanischen Maisbauern: Nachdem der Verband der Gentechnik ursprünglich aufgeschlossen gegenüberstand, schlägt er jetzt zunehmend pro-europäische Töne an. »Die amerikanische Landwirtschaft muss realisieren, dass die europäischen Politiker auf ihre Verbraucher gehört haben«, heißt es. Die USA hätten sich in der Gentechnik-Frage »isoliert«.

Zu den überraschenden Rückschlägen für die Bio-Tech-Branche gehört, dass sich auch bei den Verbrauchern in Nordamerika der Widerstand gegen die Einführung von GMO-Nahrungsmitteln rührt. In Umfragen geben sich mehr als die Hälfte der Amerikaner »skeptisch« in Sachen GMO-Nahrung. In erster Linie hatte das mit einer Reihe von Skandalen und Schlagzeilen um »verseuchte« Produkte zu tun. Doch taten sich die Hersteller von GMO-Saatgut auch schwer, Verbrauchern klarzumachen, was eigentlich die Vorteile solcher Produkte sein sollten. Erst in jüngster Zeit haben sie Produkte vorgestellt, aus denen sich etwa Öl gewinnen lässt, das beim Erhitzen gesünder bleibt – oder solches, das beim Schlankmachen helfen soll. Längst aber spielen manche Lebensmittelfirmen nicht mehr mit: Da bestellte die Fast-Food-Kette McDonald’s und der Frittenhersteller Frito-Lay gentechnisch veränderte Kartoffeln ab, und etliche Babynahrungshersteller verzichteten auf GMO-Pflanzen in ihren Produkten. Der Bierbrauer Anheuser-Busch wehrte sich gegen eine GMO-Pflanzung in der Nähe seiner eigenen Felder, auf dass das Bier rein bleibe. Die Front der GMO-Lobbyisten bröckelt ab, und die mit GMO-Produkten angebaute Fläche ging nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters in den vergangenen Monaten sogar zurück.

Link zum Originalbericht in der Zeitung

 

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