Die Zeit

Gentechnik - Kampf ums Korn
Von Thomas Fischermann

Artikel aus "Die Zeit"



 
 

 

Die amerikanische Regierung fordert freien Handel für gentechnisch veränderte Nahrung. Doch selbst in den USA engagieren sich die Menschen zunehmend für Bio-Produkte.

Laura Krouse, eine Farmerin aus Mount Vernon im amerikanischen Bundesstaat Iowa, hat für ihren Mais hart gekämpft – eine rare Sorte namens Abbe Hill Seed Corn, die seit fast 100 Jahren auf ihren Feldern angebaut wird. Sie pflanzte den Mais gut geschützt in der Mitte ihrer 30 Hektar großen Farm. Sie pflanzte ihn zu Zeiten an, zu denen sonst niemand in der Gegend Mais anpflanzte. Sie ließ die Qualität jedes Jahr in einem Labor testen. 2001 brachten diese Tests dann zum ersten Mal eine schlechte Nachricht: Das Abbe Hill Seed Corn war verseucht. Es hatte sich mit dem gentechnisch veränderten Mais benachbarter Felder gekreuzt.

Solch künstlich veränderte Gene sind ein rotes Tuch für Krouses beste Kunden. Bio-Farmer liebten die traditionsreichen Maiskörner aus Mount Vernon als Saatgut. Solange sie nicht verseucht waren.

Zehntausende Dollar Verlust durch verseuchten Mais

»Von solchen Fällen höre ich hier in den amerikanischen Midlands alle paar Wochen«, sagt Ken Roseboro, der Chefredakteur des landwirtschaftlichen Branchendienstes The Non GMO Report. »Selbst für einen kleinen Farmer bedeutet das Zehntausende Dollar Verlust«, sagt er. Schon als das landwirtschaftliche Forschungsinstitut OFRF vor ein paar Jahren mehr als tausend Öko-Farmer befragte, berichteten sieben Prozent von Einkommensausfällen wegen nachgewiesener oder vermuteter Durchmischung mit gentechnisch veränderten Organismen (GMO). In einigen GMO-Hochburgen in Iowa, Illinois und dem Bundesstaat New York gaben gar 70 Prozent der Befragten an, Geld verloren zu haben. »Einige Farmer lassen ihren Mais schon gar nicht mehr testen, weil sie Angst haben, dass ein negatives Ergebnis dabei herauskommt«, weiß Roseboro.

Biotech Pollution lautet in landwirtschaftlichen Kreisen das Fachwort für dieses Problem. Es ist zu einem Dauerthema in internationalen Handelsstreitigkeiten geworden. Die Vereinigten Staaten drängen seit Jahren auf weniger Handelsschranken in Sachen GMO. Amerikanische Farmer, die besonders häufig solches Saatgut einsetzen, sollen ihre Produkte frei exportieren können. Lange war die Europäische Union ein Bollwerk gegen dieses Anliegen, obwohl sich ihre Regeln lockern: Nahrungsmittel in der EU dürfen heute bis zu 0,9 Prozent GMO enthalten, und nach neuen Gesetzesvorlagen aus Brüssel soll dies bald sogar für ökologisch angebaute Lebensmittel gelten. Dennoch haben die USA Europa im Jahr 2003 bei der WTO verklagt, und ein Schiedsspruch wird für den Januar erwartet.

In Amerika sind viele Farmer von der »amerikanischen« Linie keineswegs überzeugt. Die größten Kritiker kommen aus der Branche der »organischen Farmer«, die ihre Produkte nach ökologischen Kriterien anbauen. Sie vertreten eine Nische – aber eine, die schnell größer wird: Nach Informationen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums ist dieser Markt seit Jahren »eines der am schnellsten wachsenden Segmente des amerikanischen Landbaus«, auch wenn zuletzt nur 0,2 Prozent allen Farmlandes ökologisch bewirtschaftet wurden. Der Non GMO Report hörte sich im Januar 2005 bei amerikanischen Saatgutherstellern um, die von »enormen Knappheiten«, einer wachsenden Nachfrage und steigenden Preisen für ökologisches Saatgut berichteten. Viele Farmer sehen das als eine Geschäftschance, weil man zum Beispiel für ökologischen Mais dreimal so viel Geld verlangen kann wie für konventionellen. Die Rechnung geht freilich nur auf, wenn der Mais frei von gentechnisch veränderten Organismen bleibt. Die meisten ökologischen Bauern oder die Abnehmer ihrer Produkte lehnen beim kleinsten Anzeichen von Veränderungen dankend ab.

Selbst McDonald’s verzichtet auf gentechnisch veränderte Kartoffeln

Es sind aber längst nicht nur die alternativen Bauern, die sich beklagen. Weil GMO-Produkte aus so vielen Märkten der Welt, allen voran den europäischen, ausgesperrt blieben, sind die US-Exporte von Mais und Soja in den vergangenen Jahren zusammengebrochen. Kaum eine Organisation ist dabei wütender als die American Corn Growers Association, der Verband der amerikanischen Maisbauern: Nachdem der Verband der Gentechnik ursprünglich aufgeschlossen gegenüberstand, schlägt er jetzt zunehmend pro-europäische Töne an. »Die amerikanische Landwirtschaft muss realisieren, dass die europäischen Politiker auf ihre Verbraucher gehört haben«, heißt es. Die USA hätten sich in der Gentechnik-Frage »isoliert«.

Zu den überraschenden Rückschlägen für die Bio-Tech-Branche gehört, dass sich auch bei den Verbrauchern in Nordamerika der Widerstand gegen die Einführung von GMO-Nahrungsmitteln rührt. In Umfragen geben sich mehr als die Hälfte der Amerikaner »skeptisch« in Sachen GMO-Nahrung. In erster Linie hatte das mit einer Reihe von Skandalen und Schlagzeilen um »verseuchte« Produkte zu tun. Doch taten sich die Hersteller von GMO-Saatgut auch schwer, Verbrauchern klarzumachen, was eigentlich die Vorteile solcher Produkte sein sollten. Erst in jüngster Zeit haben sie Produkte vorgestellt, aus denen sich etwa Öl gewinnen lässt, das beim Erhitzen gesünder bleibt – oder solches, das beim Schlankmachen helfen soll. Längst aber spielen manche Lebensmittelfirmen nicht mehr mit: Da bestellte die Fast-Food-Kette McDonald’s und der Frittenhersteller Frito-Lay gentechnisch veränderte Kartoffeln ab, und etliche Babynahrungshersteller verzichteten auf GMO-Pflanzen in ihren Produkten. Der Bierbrauer Anheuser-Busch wehrte sich gegen eine GMO-Pflanzung in der Nähe seiner eigenen Felder, auf dass das Bier rein bleibe. Die Front der GMO-Lobbyisten bröckelt ab, und die mit GMO-Produkten angebaute Fläche ging nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters in den vergangenen Monaten sogar zurück.

Link zum Originalbericht in der Zeitung

 

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