General Anzeiger Bonn

Mit Knallgas gegen die Wühlmausplage
Von Andrea Giesbrecht-Schmitz

29.08.2005

 
 

Für den Meckenheimer Bio-Bauern Lothar Krämer bietet ein Spezialgerät die einzige Chance, der Schädlinge Herr zu werden, doch Anwohner beschweren sich über den Lärm aus seiner Apfelplantage

 

Meckenheim. Ein magerer Stamm mit dürren blattlosen Ästchen, und am unteren Ende, wo einst die Wurzeln gewesen sein müssen, sieht der junge Baum aus, als habe man ihn angespitzt. Das traurige Etwas, das Lothar Krämer da in der Hand hält, war einst ein Apfelbaum aus seiner Plantage. Diagnose: Mäusefraß.


Was jeden Bauern alarmiert, ist für ihn als Biolandwirt doppelt schlimm. Chemische Bekämpfungsmittel oder gar Gift sind natürlich tabu, die herkömmlichen Fallen nicht wirksam genug. Jetzt hat er das optimale Mittel gegen die Mäuseplage entdeckt, dafür aber mit den Beschwerden von Spaziergängern und Anwohnern zu tun - die Methode ist nämlich mit Knallgeräuschen verbunden.

"Rodenator" heißt Krämers Neuanschaffung. Das in Kanada entwickelte Gerät ist erst seit kurzem in Europa zu haben. Das Prinzip: Mit einer Art Rüssel wird eine Mischung aus Sauerstoff und Propangas in die unterirdischen Gänge der Nager geleitet und dort entzündet. Durch die Knallgas-Verpuffung entsteht ein so hoher Druck, dass die Tiere sofort sterben.

"Das geht schnell und schmerzlos, das haben Veterinär-Untersuchungen bestätigt", sagt Reinhard Vöhringer, Mitinhaber der süddeutschen Firma, die den "Rodenator" in Europa exklusiv vertreibt. Ein möglicherweise qualvoller Tod in einer Falle oder durch Giftköder bleibt den Mäusen erspart.

Weitere Effekte: Das Gangsystem wird zerstört und damit unbrauchbar für mögliche "Nachfolger", und diese Methode verhindert, dass Gifte in die Nahrungskette von Mensch und Tier gelangen.

Schon deshalb gibt es für Lothar Krämer, der dem Demeter-Verband angeschlossen und damit den strengsten ökologischen Auflagen unterworfen ist, keine Alternative. Denn es geht um die Existenz des Hofes, der erst 2001 auf biologischen Anbau umgestellt hat, samt jahrelanger damit verbundener finanzieller Durststrecke. Nun steht der junge Hofinhaber auch noch einer wahren Wühl- und Feldmaus-Plage gegenüber. "Die Population ist nach dem warmen Sommer und milden Herbst 2003 regelrecht explodiert", berichtet er.

Es gebe so viele Mäuse, dass sie sogar zwischen den Bäumen umherliefen, während nebenan gearbeitet werde. Im vergangenen Winter bekam Lothar Krämer zum ersten Mal eine Ahnung von der ungeheuren Mäuse-Vermehrung.

"Den habe ich aufbewahrt", sagt der Landwirt mit Blick auf das abgestorbene Bäumchen, das er eines Tages wie einen Besenstiel mühelos aus der Erde ziehen konnte - Zeichen des großen Appetits der Nager. Im Frühjahr trat das wahre Ausmaß des Schadens und damit auch die Wirkungslosigkeit der Abwehr mit Klappfallen zutage: Zahlreiche Bäume blieben kahl.

Trotz Nachpflanzungen sind bis heute Lücken in den Reihen auf Krämers rund sechs Hektar Land zu sehen. Denn seit dem Frühjahr machen sich auch die Feldmäuse über die Wurzeln der Bäume her. "Es war nur zwischendurch besser, als der Löwenzahn wuchs. Dann bevorzugen die Mäuse seine zarteren Wurzeln."

Den Schaden kann der Biolandwirt nur grob bemessen. "Ein Baum kostet in der Anschaffung sechs Euro, aber wenn man die Arbeit und den Ernteausfall dazurechnet, sind es pro Baum sicher 40 bis 50 Euro." Etwa 300 Bäume hat er durch die Nager verloren. Wie viele Mäuse auf seinem Gelände ihr Unwesen treiben, schätzt er vorsichtig: "Tausend Feldmäuse und noch einmal 300 Wühlmäuse pro Hektar sind es mindestens. Aber unter guten Bedingungen für die Tiere kann sich das schnell verdrei- oder vervierfachen."

Er hofft, mit Hilfe des Spezialgerätes nun ein Ende zu setzen. Freilich war ihm nicht klar, dass das Beschwerden nach sich ziehen würde. "Ich habe die Einsatzzeiten mit dem Ordnungsamt abgesprochen", erklärt Krämer. "Geknallt" wird demnach zwischen 8 und 12 Uhr und von 15 bis 19 Uhr.

Alle paar Minuten ist dann eine Explosion zu hören, die aus größerem Abstand wie ein gedämpfter Schuss klingt, in nächster Nähe allerdings so laut ist, dass am "Rodenator" mit Gehörschutz gearbeitet werden muss. In der Nähe der Plantagen stellt Krämer Warnhinweise für Spaziergänger auf. Am Wochenende von Freitagmittag an ist Ruhezeit.

Die Wühlmaus

Die große Wühlmaus oder Schermaus (Arvicola terrestris) ist - im Gegensatz zum artengeschützten, Insekten und Würmer fressenden Maulwurf - Vegetarierin. Sie ernährt sich von Wurzeln und Knollen und verursacht durch den unterirdischen Fraß erhebliche Schäden.

Da die zwölf bis 22 Zentimeter großen Tiere keine Winterruhe halten, tun sie sich in der nahrungsarmen Zeit häufig an den Wurzeln junger Bäume und an Blumenzwiebeln gütlich. Die Wühlmaus legt ein verzweigtes Gangsystem mit einem Durchmesser von 25 bis 80 Metern an, die Wohnhöhle liegt in 30 bis 50 Zentimetern Tiefe. Sie beginnt schon im Vorfrühling mit der Aufzucht des Nachwuchses und wirft drei bis fünf Mal jährlich bis zu sechs Junge.

 

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